Empathie im Prinzip BEILEID, sinnvoll in Unternehmen?

Nachdem im letzten Beitrag die Bedeutung von Bedürfnissen und Beziehung erläutert wurde, geht es heute um den Begriff Empathie.

Vor einiger Zeit las ich einen Artikel aus der „Wirtschaftswoche online“: „Die zehn Nachteile des Mitgefühls“ (am Arbeitsplatz)

„Empathie laugt aus!“ meint die Autorin

Das stimmt sicherlich, wenn man sich im Mitgefühl auflöst und seine eigenen Grenzen nicht respektiert.

„Empathie macht einsam!“

Empathie für Freunde und Verwandte komme zu kurz, wenn man sich am Arbeitsplatz schon verausgabe und daheim nichts mehr hören wolle. Das ist richtig, deshalb ist es ja auch wichtig, für alle Bereiche die richtige Balance zu finden.

„Empathie behindert Frauen“

heißt es, da sie stärker mitfühlen würden und deshalb durch ihre Hilfsbereitschaft für ihr eigenes Fortkommen blockiert würden. Die Frage ist doch sicher, was langfristig trägt? Egoismus oder Teamgeist?

Auch sei Empathie manipulativ und begünstige Korruption, da sie uns zu irrationalen Handlungen verleite, so dass sachliche Argumente nicht zum Tragen kämen. Ferner sei Empathie auch kein fairer Ratgeber. Diese drei Punkte stimmen unter der Voraussetzung, dass wir unreflektierte Wesen sind, die über wenig bis keine Selbssteuerungskompetenzen verfügen. Richtig ist sicherlich, dass wir uns nicht zu mitleidigen Entscheidungen hinreißen lassen dürfen, sondern vielmehr professionelle Distanz benötigen, um auch sachliche Argumente berücksichtigen zu können.

Die Autorin beschwert sich, dass Empathie überschätzt werde und beklagt, dass Intelligenz und Fachwissen wichtiger für das berufliche Fortkommen seien.

Ich plädiere für das „sowohl als auch“. Alle Faktoren sind wichtig und richtig! Empathie fehle der Verstand, sagt die Autorin und vergisst dabei, dass wir als erwachsene Menschen in der Lage sind, situationsbedingt, eiskalt und blitzschnell zu reagieren, wie zum Beispiel als Chirurg bei einem Notfalleinsatz, andererseits aber auch sehr empathisch sein können, wie derselbe Chirurg bei der Aufklärung der Angehörigen. Ich bin begeistert darüber, dass wir Menschen so unterschiedliche Fähigkeiten in uns vereinen. Die Kunst liegt darin, diese Fertigkeiten zum richtigen Zeitpunkt zu aktivieren, und dazu benötigen wir Selbststeuerung! Diese können wir im Falle von Trauer mit dem Prinzip BEILEID erlernen und praktizieren, wozu ich Sie herzlich einlade. Lassen Sie uns deshalb etwas mehr darüber erfahren:

Empathische Kommunikation, Ernst nehmen aller Gefühle:

Wie ist es möglich, in guten Kontakt zu kommen, ohne verletzt zu werden oder Grenzen anderer zu überschreiten?

 Die Haltung der gewaltfreien Kommunikation nach Marschall B. Rosenberg ist für mich der Schlüssel, um Empathie mit sich selbst und anderen zu leben. Dazu ist es hilfreich, in vier Schritten vorzugehen, die ich gerne erläutern möchte: Als erstes geht es darum, ein Ereignis, eine Äußerung oder eine Handlung möglichst sachlich festzustellen, also den Auslöser zu benennen. Im zweiten Schritt wird erspürt, welche Gefühle dadurch ausgelöst werden. Sobald Klarheit über die entsprechenden Gefühle besteht, wird überlegt, welche Bedürfnisse daraus entstehen. Dann kann im vierten und letzten Schritt eine Bitte formuliert werden.

Als ich Johannes das erste Mal traf, schilderte er mir gleich einen Auslöser für einen Zwiespalt: Er war nach dem Tod seiner Frau Lisa noch nicht wieder in sein Arbeitsumfeld zurückgekehrt, hatte aber eine größere Anzahl von Kollegen, die sich Sorgen um ihn machten. Deshalb riefen viele von ihnen nach der Mittagspause an, um Johannes aufzumuntern und zu erfahren, wie es ihm so ginge. Einerseits freute sich Johannes, weil er sich oft allein fühlte, seine traurige und einsame Seite wollte gerne mit den Kollegen sprechen. Gleichzeitig kamen aber meist genau zu dieser Zeit seine Kinder Luka und Lara aus der Schule, um die er sich als Vater gerne kümmern und für die er ausreichend Zeit haben wollte. Zunächst überlegten wir gemeinsam, welche Gefühle in ihm durch diese Situation ausgelöst wurden. Er freute sich über die Anteilnahme, war gleichzeitig aber auch ärgerlich über die Störung bei der Begrüßung seiner Kinder. Deshalb überprüften wir genau, welches seine Bedürfnisse waren und stellten fest, dass sein Bedürfnis nach Unterstützung durch die Kollegen genauso groß war, wie das nach Rücksichtnahme auf seine Pläne bezüglich der Kinder. Also formulierte er für sich eine Bitte: „Lieber einsamer Johannes, wäre es möglich, ein wenig Rücksicht auf meine Aufgaben als Vater zu nehmen, bis das Essen mit den Kindern fertig ist? Ich weiß, dass Du Dich über die Unterstützung von Deinen Kollegen freust, deshalb schlage ich vor, später zurückzurufen. Wäre das möglich?“ Alternativ oder gleichzeitig könnte er auch eine Bitte an die Kollegen formulieren: „Ich freue mich sehr über Eure Anteilnahme und brauche Eure Unterstützung auch sehr, dennoch würde ich Euch bitten, später anzurufen, da es mir zu diesem Zeitpunkt ganz wichtig ist, mit meinen Kindern zu Mittag zu essen, damit sie alles, was in der Schule war, loswerden können. Wäre es möglich, dass wir gegen vier Uhr noch einmal telefonieren? Vielen Dank für Euer Verständnis.“

Möglicherweise fragen Sie sich, was es bedeutet, seine Gefühle ernst zu nehmen. Viele von uns haben im Laufe ihres Lebens Sätze verinnerlicht, wie: „Ach, stell Dich nicht so an!“ „Es wird Dir kein Zacken aus der Krone fallen!“ „Sei doch keine Mimose!“ oder: „Das haben schon ganz andere geschafft!“ Auch beliebt sind Selbstvorwürfe wie: „Ganz schön selbstsüchtig!“ oder der Appell: „Denk doch mal an die Anderen!“ Es fällt uns oft schwer, uns selbst an die erste Stelle zu setzen und uns und unseren Gefühlen Raum und Gehör zu verschaffen. Das ist wirklich ein Lernprozess, zu dem ich Sie ganz herzlich einlade.

Menschen, die zutiefst verzweifelt sind, haben keine andere Wahl, als sehr gut auf ihre Gefühle und daraus resultierenden Bedürfnisse zu hören. Andernfalls würden sie die Herausforderungen ihrer Krise nicht annehmen und nicht für sich sorgen können. Vielleicht mögen Sie als Unterstützer vorbeugend üben, um im Fall der Fälle schon gut gewappnet zu sein? Auch im alltäglichen Leben ist eine achtsame Wahrnehmung und Berücksichtigung aller Gefühle die Basis für ein erfülltes glückliches, ganzheitliches Leben.

Schicksal hängt von unserer Empfindung ab
„Nicht was wir erleben, sondern wie wir empfinden, was wir erleben, macht unser Schicksal aus“   (Marie von Ebner-Eschenbach)

Nicht nur bei der Bewältigung einer Krise ist es zielführend, empathisch zu kommunizieren. Das heißt konkret: Die Haltung und Einstellung zu meinem Gegenüber darf wertschätzend und akzeptierend sein. Das äußere Ereignis wird benannt und die dementsprechenden Gefühle bei beiden Gesprächspartnern erörtert. Sobald die resultierenden Bedürfnisse klar und ehrlich benannt sind, können beide Beteiligten Angebote, Lösungen und Aktivitäten entwickeln, um auf diese Bedürfnisse, möglichst zur allseitigen Zufriedenheit, einzugehen.

Ein Beispiel für eine spontane Beileidsbekundung am Telefon oder bei einem persönlichen Treffen kann so aussehen:

„Lieber Herr M.! Ich habe gestern erfahren, dass Ihre Frau ganz plötzlich verstorben ist! Ich bin noch ganz durcheinander und weiß gar nicht, was ich sagen soll. Es fühlt sich für mich sehr schwer an und ich würde Ihnen gerne beistehen. Gibt es irgendetwas, was ich jetzt im Moment für Sie tun kann?“

Im zwischenmenschlichen Kontakt, nicht nur bei belastenden Themen, ist es besonders wichtig, auch die eigenen Gefühle genau wahr zu nehmen, ernst zu nehmen und zu akzeptieren. Dies ist die Grundvoraussetzung, auch auf das Gegenüber eingehen zu können und dessen Befindlichkeit wertschätzend annehmen zu können.

Geändert entnommen aus meinem Buch: „Wenn Kollegen trauern“ (Kösel 2016)

Trauer im Unternehmen wahrnehmen, verstehen, begleiten
Über den guten Umgang mit Trauer am Arbeitsplatz